Am 10. Dezember 2020 hat Pfizer offiziell die Daten aus den klinischen Studien des COVID-19 mRNA-Impfstoffs des Unternehmens an die US-Arzneimittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) abgegeben, damit die Behörde sie vor der Bewilligung einer “Notfallzulassung” überprüfen kann. Eines von mehreren Sicherheitssignalen, die in den Daten auffielen, betraf die Gesichtslähmung, eine Erkrankung, die als Bell’sche Parese oder Fazialisparese bekannt ist.

Bei vier der Studienteilnehmer, die die Impfung erhalten hatten, wurde eine Bell’sche Parese gemeldet Bell’sche Parese . Bell’sche PareseIn der Placebo-Gruppe wurden hingegen keine Fälle von Bell’scher Parese berichtet.

Pfizer war schnell dabei zu behaupten, dass die Zahl der gemeldeten Fälle mit der allgemeinen Auftretenswahrscheinlichkeit der Bell’schen Parese in der Allgemeinbevölkerung (der sogenannten Hintergrundinzidenz) übereinstimmt. Der Arzneimittelhersteller kam zu dem Schluss, dass “es zu diesem Zeitpunkt keine klare Grundlage für einen kausalen Zusammenhang gibt” und dass die FDA die Überwachung fortsetzen würde, sobald der Impfstoff bei größeren Bevölkerungsgruppen angewandt wird.

Was wissen wir über die Bell’sche Parese?

Laut einem Informationsblatt der National Institutes of Health ist die Bell’sche Parese die Folge einer Funktionsstörung des VII. Hirnnervs (des Gesichtsnervs). Der Gesichtsnerv leitet Nervenimpulse zu den Tränendrüsen, den Speicheldrüsen und den Muskeln eines kleinen Knochens in der Mitte des Ohres. Der Nerv überträgt auch Geschmacksempfindungen von der Zunge.

Interessanterweise ist Geschmacksverlust eine bekannte Nebenwirkung nach COVID-19-Infektionen. In einer Studie fanden die Forscher heraus, dass fast 80 % der Menschen mit plötzlichem Geruchs- oder Geschmacksverlust positiv auf COVID-19-Antikörper getestet wurden.

Da der Gesichtsnerv verästelt ist, kann eine Störung seiner Funktion, wie sie bei der Bell’schen Parese auftritt, zu vielen Problemen führen. Die Symptome der Bell’schen Parese können von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein und reichen in ihrem Ausprägungsgrad von leichter Schwäche bis hin zu völliger Lähmung. Das häufigste Symptom ist die plötzliche Schwäche auf einer Seite des Gesichts. Zu den weiteren Symptomen gehören das Herabhängen des Mundes, vermehrter Speichelfluss, die Unfähigkeit, ein Auge zu schließen (was zu Augentrockenheit führt) und übermäßiger Tränenfluss an einem Auge.

Manche Menschen haben auch Schmerzen im Gesicht oder Missempfindungen, veränderte Geschmacksempfindungen und eineÜberempfindlichkeit gegenüber lauten Geräuschen. Meistens führen diese Symptome zu einer erheblichen Entstellung des Gesichts.

Eine Beeinträchtigung oder ein Verlust des Geschmacks, bekannt als Dysgeusie oder Ageusie, kann zusammen mit einer Dysästhesie, schmerzhaften Missempfindungen, die als Folge einer Nervenschädigung auftreten. Während der Regeneration des Gesichtsnervs nach Bell’scher Parese können einige Nervenfasern auch einen ungewöhnlichen Verlauf einnehmen und sich mit benachbarten Muskelfasern verbinden. Wenn dies auftritt, werden willkürliche Bewegungen des Gesichts von Synkinesen oder unwillkürlichen Bewegungen der Augen oder des Mundes begleitet.

Laut Medscape erholen sich die meisten Patienten mit Bell’scher Parese ohne offensichtliche Verunstaltung des Gesichts. Bei ca. 30 % der Patienten treten jedoch nach der Lähmung Langzeitsymptome auf, und 5 % behalten durch die Krankheit ein hohes Maß an zurückbleibenden Beeinträchtigungen zurück.

Wodurch wird die Bell’sche Parese ausgelöst?

Obwohl die Ätiologie der Bell’schen Parese derzeit nicht bekannt ist, wurden sowohl Virusinfektionen als auch eine Autoimmunerkrankungen als mögliche Krankheitsursachen postuliert.

Zum Beispiel kann Bell’sche Parese dadurch verursacht werden, wenn latente Herpesviren aus Hirnnervenganglien reaktiviert werden. Für die Pathogenese der Bell’schen Parese wurde auch ein zellvermittelter Autoimmunmechanismus vorgeschlagen, der das Myelin-Basische Protein beschädigt, das die Nerven umhüllt und isoliert.

Einige Forscher glauben, dass es sich bei der Erkrankung um eine Variante des Guillain-Barré-Syndroms handeln könnte, einer neurologischen Erkrankung, von der man weiß, dass es eine zellvermittelte Immunität gegen Myelin-Antigene des peripheren Nervs gibt.

Es gibt Meldungen, nach denen sowohl das GuillainBarré-Syndrom als auch die Bell’sche Parese nach Impfungen aufgetreten ist.

In einer umfassenden Überprüfung der Bell’schen Parese, die von der Brighton Collaboration (einer globalen Gruppe, die die Wissenschaft zur Impfstoffsicherheit überwacht) durchgeführt wurde, führten die Prüfer ein erstes Screening der wissenschaftlichen Literatur mithilfe von Google Scholar™ durch, wobei sie die Suchbegriffe Bell’sche Parese (Bell’s Palsy) oder Fazialisparese (Facial Paralysis) in Kombination mit Impfstoff und Immunisierung verwendeten. Der Zweck der Überprüfung war es, eine Falldefinition der Bell’schen Parese als unerwünschtes Ereignis infolge einer Impfung zu erstellen.

Die Suche ergab 1457 Artikel und dokumentierte das Auftreten der Bell’schen Parese nach einer Vielzahl von Impfstoffprodukten, wobei sie am häufigsten nach Grippeimpfstoffen auftrat (siehe Tabelle unten aus diesem Bericht). Nach Angaben des United States Court of Federal Claims hat das National Vaccine Injury Compensation Program der USA (VICP) bei etwa 38 Fällen von Bell’scher Parese Entschädigungszahlungen geleistet.

Impfstoffe, in deren Zusammenhang die Bell’sche Parese als unerwünschtes Ereignis infolge einer Impfung, als AEFI (adverse event following immunization) untersucht wurde:

Intranasaler virosomaler Grippeimpfstoff: [4], [6], [7], [8], [12], [14], [124], [125]

Parenteraler (durch Injektion verabreichter) Grippeimpfstoff: [126]

Hepatitis-B-Impfstoff: [127], [128], [129], [130], [131]

Tollwut-Impfstoff: [132], [133], [134], [135], [136], [137], [138]

Polio-Impfstoff: [139], [140], [141], [142], [143]

Lyme-Borreliose-Impfstoff: [144], [145], [146]

Diphtherie-Tetanus-Keuchhusten-Impfstoff: [147], [148]

Azellulärer Keuchhusten-Impfstoff: [149]

Meningitis-Gruppe C-Konjugat-Impfstoff: [150]

Masern-Mumps-Röteln-Impfstoff: [151]

Masern-Impfstoff: [152], [153]

Pocken-Impfstoff: [26], [154], [155], [156]

Pneumokokken-Konjugat-Impfstoff: [83]

HIV-Impfstoff: [116]

Verschiedene Wirkverstärker: [2], [5], [11], [15], [16], [111], [114], [115], [116], [117], [120], [157], [158], [159], [160], [161], [162], [163]

Im Juli 2020 untersuchten die Ermittler die VAERS-Datenbank und werteten Berichte über Gesichtslähmungen bei Personen aus, die im Zeitraum von Januar 2015 bis Oktober 2019 eine Grippeimpfung erhielten. Die Forscher fanden “eine große Anzahl von Fällen von Gesichtslähmung nach einer Influenza-Impfung; die meisten dieser Fälle treten innerhalb der ersten zwei Wochen nach der Impfung mit dem saisonalen trivalenten oder quadrivalenten intramuskulären Influenza-Impfstoff auf.”

Die Autoren kamen zu folgendem Schluss:

“Angesichts der inhärenten Einschränkungen der VAERS-Datenbankanalyse und der Tatsache, dass Disproportionalitätsmaße nur auf das Vorhandensein eines Signals hinweisen, müssen unsere Studienergebnisse in gut konzipierten prospektiven pharmakoepidemiologischen Studien untersucht werden.”

Wo sind die Studien?

Zu den inhärenten Schwächen der VAERS-Datenbank gehört die Tatsache, dass es sich um ein freiwilliges, passives Überwachungssystem handelt. Eine Studie aus dem Jahr 2010, die vom US-Gesundheitsministerium in Auftrag gegeben und von Harvard-Beratern im Auftrag der Agency for Healthcare Research and Quality (AHRQ) durchgeführt wurde, ergab, dass “weniger als 1 % der unerwünschten Ereignisse infolge einer Impfung” jemals an VAERS gemeldet werden.

Nach Angaben der VAERS-Datenbank wurden 2.427 Fälle gemeldet, bei denen das Symptom eine Fazialisparese oder eine Gesichtslähmung war. Die Berichte an VAERS zeigten einen langsamen, stetigen Anstieg bis 2009, dem Jahr, in dem 260 Fälle gemeldet wurden (siehe Grafik).

Im April 2009 tauchte ein neuartiger Stamm der A/H1N1-Grippe auf. Das Auftreten eines neuen und anderen H1N1-Virus bedeutete, dass zwei Grippeimpfstoffe empfohlen wurden: einer zur Verhinderung saisonaler Influenzaviren, von denen man annahm, dass sie sich ausbreiten würden, und ein anderer, um einer durch das neu aufgetauchte Virus verursachten Grippe vorzubeugen.

Diese offensichtliche Anomalie in den VAERS-Daten spricht ebenfalls für einen Zusammenhang zwischen Grippeimpfstoffen und der Bell’schen Parese.

Ein stetiger Anstieg von Bell-Lähmungsfällen

Was sagt die FDA über die Bell’sche Parese?

Laut Berichten in den  Nachrichten, die der Überprüfung und Notfallzulassung der Moderna- und Pfizer-COVID-Impfstoffe durch die FDA folgten, “gab es zwar ein kleines Ungleichgewicht der Fälle von Bell’scher Parese in der Impfstoffgruppe im Vergleich zur Placebogruppe, aber die FDA sagte, dass sie sich nicht sicher sind, ob der Impfstoff zu den Lähmungen beigetragen hat, weil die Anzahl der Fälle klein war und nicht häufiger als in der allgemeinen Bevölkerung zu erwarten.”

Peter Marks, MD, Direktor des Center for Biologics Evaluation and Research der FDA, erklärte: “Unsere Arbeitshypothese ist, dass dies nur ein Ungleichgewicht in den Hintergrundraten war, die wir auch in anderen Studien gesehen haben, aber wir werden sicherstellen, dass wir das tatsächlich infrage stellen werden, nur um diese Frage abzuschließen.”

Ein Artikel, der im November 2020 veröffentlicht wurde, gab an, dass die jährliche Inzidenz von Bell’scher Parese in den USA bei 15 bis 20 Fällen pro 100.000 Personen ist. Wie verhält sich das im Vergleich zu den COVID-19-Impfstoffstudien?

In der klinischen Studie von Pfizer wurde bei vier von 18.801 Teilnehmern, die den Impfstoff erhielten, eine Bell’sche Parese festgestellt, während bei 18.785 Teilnehmern, die das Placebo erhielten, keine Fälle gemeldet wurden.

Die Daten der klinischen Studie mit dem COVID-19-Impfstoff von Moderna zeigen, dass bei 15.184 Personen in der Impfstoffgruppe drei Fälle von Bell’scher Parese auftraten und bei 15.165 Personen in der Kontrollgruppe eine Fall.

Die kombinierten klinischen Studiendaten von Pfizer und Moderna zeigen eine Inzidenz der Bell’schen Parese bei einem von 4.855 Geimpften im Vergleich zu einem von 34.040 in der Kontrollgruppe (diejenigen, die den Impfstoff nicht erhielten). Diese Zahlen entsprechen etwa 21 Fällen pro 100.000 geimpften Personen gegenüber drei Fällen pro 100.000 Personen, die den Impfstoff nicht erhielten.

Diese Zahlen erklären, warum die FDA behaupten kann, dass die Inzidenz der Bell’schen Parese von 21 pro 100.000 bei den Geimpften “übereinstimmt mit der berichteten Hintergrundinzidenz” von 15-20 pro 100.000, die von Forschern im November berichtet wurde. Bemerkenswert ist aber auch die deutlich geringere Inzidenz von 3 pro 100.000 in der Kontrollgruppe.

Es ist wichtig zu bedenken, dass die USA auf Bevölkerungsebene eine der aggressivsten Impfpolitiken der Welt haben, aber eine der niedrigsten Gesundheitsbewertungen für entwickelte Länder, darunter die höchste Säuglings- und Kindersterblichkeitsrate und eine oder mehrere chronische Krankheiten, die mehr als die Hälfte aller amerikanischen Kinder betreffen.

Darüber hinaus ist es bei einer derart stark geimpften pädiatrischen und erwachsenen Populationen praktisch unmöglich, “Hintergrundraten” von Krankheiten zu bestimmen, die unabhängig vom Einfluss von Impfungen und unerwünschten Ereignissen wie der Bell’schen Parese sind.

Könnte zum Beispiel die Studie vom November, die eine Hintergrundinzidenz von 15-20 Fällen pro 100.000 berichtet, den Einfluss der bevölkerungsweiten Grippeimpfung widerspiegeln, die jetzt fast 50 % der Erwachsenen und mehr als 63 % der Kinder abdeckt, insbesondere angesichts des gut dokumentierten Zusammenhangs zwischen Grippeimpfungen und Bell’scher Parese?

Es wird wichtig sein zu überwachen, wie COVID-19-Impfstoffe die zukünftige Inzidenz von Bell’scher Parese beeinflussen.